Bullen, Bären und Maschinen an der Börse

Die Börse: Ein riesiges Sammelbecken für Daten der Finanzwelt. Sie zu analysieren und interpretieren, ist eine Herkulesaufgabe – zunehmend automatisiert und unterstützt von Künstlicher Intelligenz.

Risikomanagement, Unternehmensanalysen und sorgfältige Datenanalysen gehören zu einer fundierten Anlagestrategie dazu. In einer Zeit, in der pro Sekunde mehr Daten übertragen und analysiert werden müssen als jemals zuvor, benötigt es vor allem eins: Ordnung.

Milliarden von Zahlen müssen verschickt, empfangen und natürlich auch interpretiert sowie analysiert werden, und das meistens innerhalb des Bruchteiles einer Sekunde. Wie ist das möglich? Algorithmen erleichtern den Arbeitsalltag an der Börse. Sie ermöglichen das scheinbar Unmögliche und unterstützen die Börsen in zahlreichen Aufgabenbereichen.

Ein großer Befürworter der künstlichen Intelligenz im Alltag, aber auch an der Börse, ist Konrad Sippel. Er leitet das Content Lab der Deutschen Börse AG und setzt sich regelmäßig gemeinsam mit seinem Team aus Datenwissenschaftlern mit der Thematik der künstlichen Intelligenz auseinander. Und damit, wie sie unsere Zukunft formen kann. Die Deutsche Börsen AG stellt die Infrastrukturen bereit, die es den Händlern ermöglichen, auf diversen Plattformen mit Wertpapieren aus aller Welt zu handeln. Diese Infrastrukturen der Börse stehen nun vor einem großen Wandel – immer stärker tritt künstliche Intelligenz in Kraft, um den Arbeitsalltag der Analytiker zu vereinfachen.

Seit über 20 Jahren arbeitet die Deutsche Börse daran, elektronische Handelssysteme zu entwickeln, um eben diese Prozesse zu automatisieren und digitalisieren. Es ginge in erster Linie darum, dem Menschen stumpfe und repetitive Aufgaben abzunehmen und der Maschine zu überlassen, um somit mehr Freiraum für kreatives Arbeiten zu schaffen. „Sie können sich vorstellen, es ist nicht der erfüllendste Job, den ganzen Tag Nachrichten zu sortieren. Das macht ein Berufseinsteiger vielleicht eine Zeit lang, um etwas über die Börse zu lernen. Dann wird es langweilig. Eine KI kann Nachrichten problemlos lesen und einordnen“, erklärt Konrad Sippel. So ist das Einordnen von Nachrichten und Meldungen mittlerweile voll automatisiert und wird bereits größtenteils von künstlicher Intelligenz ausgeführt. Eine Dividendenzahlung kennzeichnet sie direkt als solche und legt sie in den entsprechenden Ordner ab.

Weltweit werden ununterbrochen Nachrichten veröffentlicht, sei es von Agenturen, offiziellen Pressestellen oder großen Medienunternehmen. Menschen sind nicht in der Lage, all diese Meldungen, Nachrichten oder Bekanntgaben in einer vertretbaren Zeit zu filtern. Und selbst wenn sie sich dieser Aufgabe stellen würden, wärees höchstens möglich, die großen Medienkonzerne unter die Lupe zu nehmen. Kleinere Pressestellen aus Schwellenländern mögen unbedeutsam erscheinen, doch ihre Inhalte können dennoch eine große Auswirkung auf die Wirtschaft haben.

Angenommen, innerhalb eines Entwicklungslandes herrscht in mehreren Fabriken starke Unzufriedenheit und die Arbeiter stünden kurz vor einem Streik, der Auswirkungen auf die zukünftigen Bilanzen haben könnte: Ein Streik in einem weit entfernten Land schafft es meistens nicht in die Mainstream-Medien, könnte allerdings trotzdem zukünftig wirtschaftliche Folgen haben und somit relevant für Aktionäre des Unternehmens werden. Ein Algorithmus greift dann ein, erfasst und analysiert Pressemeldungen und Nachrichten auf der ganzen Welt und kann somit relevante Meldungen direkt auf dem Smartphone erscheinen lassen, um den Aktionär zu warnen.

Doch künstliche Intelligenz an der Börse bedeutet weitaus mehr als nur das Automatisieren von eintönigen Aufgaben. Durch sogenanntes Machine Learning, also maschinelles Lernen, ist KI in der Lage, Muster der Vergangenheit zu erkennen und auf die Gegenwart zu projizieren. Eine KI könne zwar noch nicht die nächste große Wirtschaftskrise vorhersagen oder langfristige Prognosen für individuelle Unternehmen abgeben, allerdings werden bereits heute Muster in Datensätzen von Algorithmen analysiert, um Tendenzen zu erkennen.

Die Prognosen und Bewertungen können getroffen werden, weil ein Algorithmus eine enorme Masse an Daten analysiert und somit in Sekundenschnelle Schlüsse zieht. Aus den Fehlern der Vergangenheit lernt der Mensch, die Maschine aber umso mehr. Sie nimmt Warnsignale in ihre Datenbank auf, verarbeitet beispielsweise Konjunkturdaten in kürzester Zeit und gibt somit weitaus präzisere Prognosen ab als es je ein Mensch alleine könnte.

Alles schön und gut, aber wie verändert das den Arbeitsalltag an den Börsen? Zunächst soll der kreative Freiraum der Arbeitnehmer gefördert werden. Die Arbeitszeit soll für wichtigere Dinge nutzbar sein, als einfach nur Daten in eine Tabelle einzutragen und zu interpretieren. Es gilt allerdings, offen zu bleiben. Die künstliche Intelligenz könne, so Sippel, nur unseren Alltag und den der Börse verändern, wenn unsere Gesellschaft Akzeptanz gegenüber der künstlichen Intelligenz zeigt und ihre Chancen wahrnimmt.

WAS KANN KI?
STUDIERENDE FRAGEN NACH
Was kann Künstliche Intelligenz (KI)? Journalismus-Studierende der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Frankfurt fragen Experten aus Wirtschaft und Forschung: Wo und wie kommt KI zum Einsatz? Worin liegen Chancen und Risiken?

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