Mensch und Maschine lernen gemeinsam

Samson AG in Frankfurt © Chris Nagorr

Wie das Frankfurter Maschinenbauunternehmen Samson mit Künstlicher Intelligenz wettbewerbsfähig bleibt

Künstliche Intelligenz (KI) spielt für die Samson AG eine wichtige Rolle. Denn sie macht den Unterschied für die Positionierung des Ventilherstellers auf dem internationalen Markt.

Wie für die Samson AG stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie man bei wachsender globaler Konkurrenz und immer höheren und spezifischeren Anforderungen des Marktes wettbewerbsfähig bleiben kann. Ein Weg: sich als Unternehmen weiterzuentwickeln und seine Produktpalette zu erweitern. Das erkannte auch Samson.

Das Maschinenbauunternehmen mit Sitz im östlichen Frankfurter Industriegebiet wollte Lösungen finden, wie man sich in der Branche der Mess- und Regeltechnik durch Innovation profilieren könne. Hauptgeschäft von Samson ist die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Ventilen und Reglern für die Prozesstechnik, die etwa in industriellen Chemieanlagen, Kraftwerken und Anlagen zur Lebensmittelerzeugung zum Einsatz kommen.
Also setzte man dort an und fügte den Produkten eine digitale Komponente hinzu.

System kann Symptom von Ursache differnzieren

Mit dem Kauf des israelischen Start-ups „Precognize“ begann Ende 2018 die Entwicklung eines neuen Produkts. Das System Sam Guard überwacht Industrieanlagen: Es erkennt Abweichungen im Prozessablauf und lokalisiert Teile, die überprüft oder ersetzt werden müssen, bevor ein Anlagenausfall zum Produktionsstillstand führt. Eine Anlage müsse man sich als lebenden Organismus, wie unseren Körper, vorstellen, sagt Thorsten Pötter, der den Bereich der digitalen Infrastruktur bei Samson verantwortet. „Wenn Sie Rückenschmerzen haben und zum Arzt gehen, was macht der im ersten Moment? Der fragt Sie ein wenig, aber gibt Ihnen als erstes ein Schmerzmittel. Das nehmen Sie ein paar Tage und schauen, ob der Schmerz weg ist. Das System, das wir im Einsatz haben, verhält sich anders, weil es nicht nur feststellt, dass und wo sie Rückenschmerzen haben, sondern Ihnen auch Anhaltspunkte für den Grund der Rückenschmerzen mitliefert.“

Das System schaffe es also, mit dem Einsatz von KI-Methoden, Symptom von Ursache zu differenzieren. Erklärt wird das bei Samson so; der Algorithmus wird mit den Daten der Anlage des jeweiligen Betreibers gefüttert. So entsteht ein komplettes Abbild der Anlage und ihrer Prozessabläufe. Genauso wichtig wie die Analyse der Datenströme ist die topologische Rückprojektion. Praktisch bedeutet das, dass es eine visualisierte Abbildung der Anlage gibt. So erkennt das Betriebspersonal schnell, wo ein Fehler entstanden ist und kann direkt darauf reagieren.

Durch die großen Unterschiede industrieller Anlagen ist das gesammelte Wissen einer spezifischen Anlage für den Algorithmus nicht verallgemeinerbar. Die Daten liegen nicht zentralisiert bei Samson, sondern bei der jeweiligen Betreiberfirma einer Anlage. Zu Beginn der Einführung des Systems treten viele Fehlermeldungen pro Stunde auf. Durch die Resonanz des Betriebspersonals und die damit einhergehende Rückkopplung lernt Sam Guard wichtige von unwichtigen Fehlermeldungen zu unterscheiden. Das System lernt, infolgedessen sinkt die Zahl der wirklich relevanten Meldungen.

Wissen ist transferier- und weiter verwendbar

Bei stetiger Nutzung entstehe so die gewünschte Symbiose aus Mensch und Maschine, sagt Pötter. Denn es werde das ganze spezifische Anlagen-Know-how der Mitarbeiter mit dem Lernen des Algorithmus gekoppelt und erfasst. Das liefere ein größeres, diagnostisches Bild und unterscheidet Sam Guard von anderen Überwachungs- und Diagnosesystemen, bei denen das Know-how der Mitarbeiter nicht digital verarbeitet werde. „So geht kein Wissen verloren. Das Wissen ist transferier- und weiter verwendbar, auch wenn erfahrende Mitarbeiter in Rente gehen“, erklärt Pötter.

 

 

Durch die Erweiterung der Produktpalette mit Sam Guard eröffnete sich Samson zudem ein neues Kundenfeld, etwa die Versicherungsindustrie. Pötter: „Anlagenbetreiber versichern ihre Anlage gegen bestimmte Schäden und Ausfälle. Wenn wir in der Lage sind, einigermaßen gut vorherzusagen, wann ein System krank wird, dann ist es durchaus auch spannend für den Versicherer. Er könnte seinen Kunden preiswertere Versicherungen anbieten, unter der Bedingung, dass ein Monitoring- und Diagnosesystem in der zu versichernden Anlage eingesetzt wird.“

Das Potenzial von KI sei damit noch lange nicht ausgeschöpft, die Mensch-Maschine-Kooperation bewähre sich. „Am besten lässt sich die Situation vergleichen mit der, wie wir sie bei Schachcomputern hatten, als die ersten Rechner den Schachgroßmeister geschlagen haben. Danach begann eine Phase, in der die Kombination aus Maschine und Großmeister alles übertroffen hat.“

Was kann KI?
Studierende fragen nach

Was kann Künstliche Intelligenz (KI)? Journalismus-Studierende der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Frankfurt fragen Experten aus Wirtschaft und Forschung: Wo und wie kommt KI zum Einsatz? Worin liegen Chancen und Risiken?

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