Wie die Luftfahrt mit künstlicher Intelligenz Ressourcen spart – Sven Hafner von Amadeus

Ob als Cockpit, im Ticketing oder in der Berechnung von Flugverspätungen, künstliche Intelligenz ist in der Luftfahrt schon längst gang und gäbe. Einer, der immer nach Innovationen in der Branche sucht, ist Sven Hafner von der Amadeus. Künstliche Intelligenz mache die Fortbewegung nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger, erklärt der Tech-Experte.

Hafners Aufgabe ist es, Brücken zu schlagen, sagt er. Im Hintergrund des Videocalls ist ein Flughafen zu sehen. Seit mehr als 20 Jahren ist der studierte Informatiker schon in der Luftfahrtindustrie tätig. Ein Traumjob, habe er doch schon immer ein Faible für die Luftfahrt gehabt. Hafner ist selbst viel gereist, hat Kunden im Ausland betreut. Sein längster Aufenthalt dauerte 12 Jahre. „Eigentlich war ich nur für 12 Wochen nach Singapur geschickt worden, aber wir haben kurzerhand entschieden, vor Ort eine Niederlassung zu gründen“, erzählt Hafner. Damals half er bei der Installation und Einführung von Ressourcensteuerungs-Systemen für die Bodenabfertigung.

Vor 20 Jahren wurde noch mit Stift und Papier geplant

Künstliche Intelligenz biete unheimlich viel Verbesserungspotenzial in der Reise- und Luftfahrtindustrie, aber man müsse auch die Sprache der Kunden sprechen und verstehen, was sie brauchen und wollen. Und das ist Hafners Aufgabe als Leiter des Airport IT Innovation Lab bei Amadeus. Dort ist er immer auf der Suche nach neuen Projekten und Lösungen. Wo die Potenziale der KI liegen? „In der Flugindustrie geht’s um jede Minute“, antwortet Hafner. Das bedeutet: Je besser Vorhersagen sind, je besser Airlines und Flughäfen planen können, desto weniger Zeit geht verloren. Dabei kann es um die Fliegerposition auf dem Vorfeld gehen, damit z.B. Passagiere kritische Anschlussflüge erreichen, oder die Bodenabfertigung effizienter gestaltet werden kann.

Amadeus ist ein IT-Dienstleister mit Fokus auf die Luftverkehrs und Tourismus-Branche. Das Unternehmen wurde 1987 gegründet. Amadeus verwaltet und betreibt unter anderem die IT-Systeme hinter Buchungsvorgängen. So stellt die Firma sicher, dass bei der Ticketbuchung weltweit keine Überschneidungen zustande kommen. Mit der Zeit hat sich das Geschäftsfeld von Amadeus ausgedehnt, mittlerweile gehören auch der Check-In per App und Hard- und Softwarelösungen für Flughäfen zu den Kompetenzen der Firma mit Hauptsitz in Madrid.

Auf der Suche nach Innovationen arbeitet Hafner auch eng mit Studenten und Hochschulen zusammen. Ein aktuelles Projekt wertet die Daten von der Transponderdaten von Flugzeugen aus. Weltweit gibt es rund 25 000 Antennen dafür und „jeder kann dieses Signal abgreifen. Richtig ausgewertet, bekommt man so wertvolle Informationen dazu, wie lange Flugzeuge für Landungen und bis zum Aussteigen der Passagiere braucht“, erklärt Hafner. Vor 20 Jahren hätten die Flughafenmanager ihre Ressourcen noch auf Papier geplant, durch Technologie und jetzt mit künstlicher Intelligenz seien echte Quantensprünge möglich.

Eine KI kann immer nur Vorhersagen geben

Generell sei die Verkehrs- und Tourismusbranche ein Bereich, der sehr stark von künstlicher Intelligenz profitiere. „Wenn du heute auf eine Buchungsseite im Internet gehst und da Angebote empfohlen bekommst, da ist überall KI im Hintergrund“, sagt Hafner. Damit sei KI nicht wie in den 70ern und 80ern ein Forschungsgebiet der Hochschulen mit limitierter Anwendung, sondern werde bleiben und sich weiterentwickeln.

Ein Grundproblem in der Anwendung von künstlicher Intelligenz: Sie kann lediglich Vorhersagen geben, und die können zutreffen oder auch nicht. Das sei schon mehr als vorher, als man in der Luftfahrt Vorhersagen über Verspätungen zum Beispiel nur treffen konnte, wenn ein Flugzeug auch wirklich zu spät gestartet war. Jetzt können künstliche Intelligenzen voraussagen, dass ein Flug zum Beispiel aufgrund von Wetterereignissen oder starken Verkehrsaufkommen in Kontrollzonen wahrscheinlich eine halbe Stunde Verspätung haben wird. Aus dieser Verspätung ergibt sich dann vielleicht, dass einige Fluggäste ihren Anschlussflug nicht mehr bekommen, oder dass Flugzeug oder eine Crew nicht rechtzeitig für einen anderen Flug bereit sein wird. Die Fluglinie muss dann entscheiden: Was machen wir mit den Passagieren? Umbuchung auf eine alternative Verbindung  oder den Anschlussflug warten lassen? Trifft die Fluggesellschaft dann eine Entscheidung auf Basis der Vorhersagen, die aber nicht eintreten, dann „ist das manchmal schwer nachvollziehbar für traditionelle Endnutzer“, sagt Hafner. Die müssten daher lernen, mit den Vorhersagen zu arbeiten und zumindest grundsätzlich verstehen, wie diese zustande kommen. Hafner plädiert daher für mehr Aufklärung über positive und negative Aspekte von künstlicher Intelligenz, auch für die Allgemeinheit und bei vermeintlich trivialen Themen wie einer Verspätung.

Arbeitsgruppe „Modalität“ sucht smarte Lösungen für die Fortbewegung

Dieses Verständnis weiterzuentwickeln und sich mit anderen auszutauschen, war auch letztlich der Grund, warum sich Amadeus dem Verein AI FRM angeschlossen hat. Dort gebe es Mitglieder aus der gleichen Branche, zum Beispiel die Lufthansa und den Fraport, aber auch andere Mobilitätsdienstleister, mit denen Synergien entstehen könnten, so Hafner. „Wenn jemand irgendwo hinfliegt, steigt er nicht einfach in den Flieger. Er fährt irgendwie zum Flughafen, steigt in den Flieger und wenn er wieder aussteigt, nimmt er ein anderes Transportmittel“, so Hafner.

Diese Synergien suchen Hafner und seine Mitstreiter in der Arbeitsgruppe „Modalität“ des Vereins. Dort sind verschiedene Spieler aus dem Feld Mobilität, die ihre Kompetenzen bündeln und versuchen, die Mobilität zu optimieren. Ein Beispiel: Ein KI-System, das Informationen von verschiedenen Mobilitätsdiensten wie Bahnen und Taxis bekommt, könnte Nutzern empfehlen, auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen. Anstelle des Taxis wegen eines Staus könnte so zum Beispiel auf die Bahn zurückgegriffen werden. Das spart Zeit und Geld für Nutzer und Mobilitätsdienstleister, aber hat auch eine positive Auswirkung auf die Nachhaltigkeit. „Bei dem ganzen Optimieren geht’s ja nicht nur ums Geld“, betont Hafner, „Je weniger Flugzeuge vor dem Start am Boden stehen und Kerosin verbrennen und je weniger Taxis im Stau stehen, desto mehr schonen wir ja auch unsere Ressourcen. Mit unseren Lösungen wollen wir auch immer zur Nachhaltigkeit beitragen, und künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Baustein dafür“.

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