Die Deutsche Bahn setzt vermehrt Roboter ein / In den meisten Fällen bekommen die Kunden davon nichts mit
Dass die Deutsche Bahn einen Serviceroboter mit künstlicher Intelligenz an Bahnhöfen einsetzt, hat sich längst herumgesprochen. Doch dass künstliche Intelligenz auch vereiste Gleise oder defekte Rolltreppen entdecken kann, davon wissen die wenigsten Bahnfahrer.
Diese und viele weitere Ideen entstanden im Accelerator Programm. Die Möglichkeit, als Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens kreativ mitzuwirken, innovative Ideen umzusetzen und ein eigenes Projekt zu entwickeln, eröffnet das Innovationslabor der Deutschen Bahn im Frankfurter Bahnhofsviertel.
Im 30. Stockwerk des Deutsche-Bahn-Towers, auch Skydeck genannt, befindet sich dieses Innovationslabor. Ein großer Raum, in dem alle Projekte, die verwirklicht wurden, ausgestellt sind und zum Ausprobieren einladen. Das Interessante hierbei: Die Ideen stammen von den Mitarbeitern. Jeder von ihnen hat hier die Chance, eine eigene Idee, die den Service des Unternehmens verbessern soll, vorzuschlagen und bei großer Zustimmung umzusetzen. Erfolgreiche Projekte führen die „Erfinder“ an den sogenannten Demo Days vor.
Ein Beispiel für ein solches Projekt ist die automatische Erkennung von mit Graffiti besprühten Bahnen. Benutzt wird dabei eine automatisierte Video- und Bildanalyse, die mithilfe künstlicher Intelligenz Bilder und Objekte erkennen und analysieren kann. Derzeit setzt die Bahn diese Erkennung schon an 22 deutschen Bahnhöfen ein. In der Regel in ländlichen Gebieten, denn dort sind Bahnhöfe nicht rund um die Uhr mit Personal besetzt, das diese Kontrollaufgabe übernehmen könnte. Zudem kann die künstliche Intelligenz bei alltäglichen Entscheidungen helfen, zum Beispiel bei der Frage, etwa ob eine Schneeräumung am Bahnsteig in Auftrag gegeben werden muss oder nicht.
Künstliche Intelligenz steckt sogar in einigen Rolltreppen des Konzerns. Wer oft Bahn fährt, kennt das Problem: Die Rolltreppen sind regelmäßig außer Betrieb. Damit soll jetzt Schluss sein, eine ebenfalls im Innovationslabor entwickelte Idee soll die Lösung bringen. In diesem Fall ermittelt die künstliche Intelligenz durch Geräuscherkennung einen Störfaktor, beispielsweise eine Büroklammer im Getriebe. Sie sendet ein Signal zum Technikzentrum des jeweiligen Bahnhofs, und Techniker beheben das Problem, idealerweise bevor die Rolltreppe ausfällt.
All das passiert, ohne dass der Bahnkunde davon etwas mitbekommt. Künstliche Intelligenz agiert im Verborgenen – und erleichtert vielen Pendlern den Alltag.
Viel offensichtlicher agiert dagegen „Semmi“, kurz für „Sozio- empathische Mensch-Maschine-Interaktion“: der jüngste Serviceroboter der Deutschen Bahn, der mit künstlicher Intelligenz funktioniert. „Semmi wurde konstruiert, um unseren Kunden einen besseren und schnelleren Service zu bieten und die Mitarbeiter zu entlasten“, erläutert Thomas Schiffler, Product Owner von Semmi und Mitarbeiter der Deutschen Bahn.
Der Roboter beantwortet simple Fragen wie „Wo ist die nächste Toilette?“, „Wann fährt der nächste Zug nach Hamburg?“ oder „Wie komme ich zu Gleis 17?“. Künstliche Intelligenz ermöglicht es dem Serviceroboter, auf häufig gestellte Fragen mit einer antrainierten Antwort zu reagieren.
Semmis Kunststoffkopf steht auf einem Sockel und kann mal asiatisch, mal europäisch oder afrikanisch aussehen: Die Gesichter werden auf den Kopf projiziert, um in den verschiedenen Einsatzländern die jeweiligen kulturellen Standards aufzugreifen.
Semmi erkennt, wenn ihm jemand gegenübersteht und spricht ihn an. Die wechselnden Gesichtszüge wie ein Stirnrunzeln, ein Schmunzeln oder sogar ein Blinzeln lassen ihn fast wie einen echten Menschen wirken.
Die künstliche Intelligenz liegt hier in der Spracherkennung und -erzeugung sowie im Sprachverständnis. Semmi spricht die Kunden immer in der Landessprache des Einsatzortes an. Antwortet der Kunde aber in einer anderen Sprache, so erkennt er dies und passt sich an.
So weit, so gut, doch wie kommen die Kunden der Deutschen Bahn mit diesem noch unbekannten neuen Assistenten klar? Man kann sich denken, dass gerade die ältere Generation eher davor zurückschreckt, einen Roboter nach der Ankunftszeit zu fragen und einen menschlichen Mitarbeiter im Reisezentrum bevorzugt.
„Eine Hürde kann das Thema Angst vor neuen Technologien sein, vielleicht möchten sich ältere Menschen einfach nicht mit einem Roboter unterhalten“, sagt Schiffler. „Genau das erproben wir aber gerade. Vor kurzem haben wir den Roboter in Japan getestet. Dort war zu beobachten, dass viele ältere Menschen offen für die Kommunikation mit Semmi waren und von selbst auf ihn zugegangen sind. Wie das in Deutschland wird, werden wir sehen.“
Thomas Schiffler und seine Kollegen vertreten die Meinung, dass die Bereitschaft zur Interaktion mit Semmi altersunabhängig ist. Trotzdem hat der Dialog mit dem Roboter einen eher spielerischen Reiz, der jüngere, technikaffinere Menschen mehr ansprechen dürfte.
Als Bedrohung sieht Schiffler die künstliche Intelligenz nicht. „Grundsätzlich glaube ich, dass sie, genau wie alles andere, Vor- und Nachteile bringt. Wir sind noch ganz am Anfang, die Möglichkeiten sind schier unendlich, und wir sollten möglichst viele davon ausschöpfen. Allerdings müssen wir überlegen, wo wir etwas durch künstliche Intelligenz ersetzen wollen. Ich persönlich sehe im Bereich der Deutschen Bahn aber keine Gefahren für die Zukunft.“
Schon jetzt findet man dort also unterschiedlichste KI-Lösungen, manche bekommt der normale Bahnfahrer aktiv mit, andere arbeiten im Verdeckten. Die Deutsche Bahn ist auf den Zug der neuen Technologien aufgesprungen und hat vor, zukünftig noch viel mehr mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Möglicherweise sogar von einem eigenen Mitarbeiter entwickelt.
Text: Michelle Kaspar